Hohes Gut schützen

Pressefreiheit: Unabhängige Medien sind die Feinde der Extremisten und Populisten

Michael Husarek

Chefredakteur Nürnberger Nachrichten

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3.5.2024, 15:00 Uhr
Egal, ob die Nachrichten digital oder in der gedruckten Zeitung gelesen werden: unabhängige Medien müssen geschützt werden.

© Bernd Weißbrod/dpa Egal, ob die Nachrichten digital oder in der gedruckten Zeitung gelesen werden: unabhängige Medien müssen geschützt werden.

Es gibt Dinge, deren Wert erst erkennbar wird, wenn sie nicht mehr da sind. Die Pressefreiheit ist so ein Gut. Kaum jemand macht sich Gedanken, scheint es doch selbstverständlich, dass Medien in Deutschland Skandale aufdecken. Das Geheimtreffen der Rechtsaußen in Potsdam ist ein Musterbeispiel gelebter Pressefreiheit.

Das Recherchenetzwerk Correctiv konnte dank eines eingeschleusten Kollegen über die "Remigrations"-Fantasien, die dort geteilt wurden, berichten. Der Rest ist Geschichte: Es kam zu Massenprotesten in vielen Städten, Millionen Menschen haben sich über die Umtriebe unter Beteiligung von AfD-Politikern empört.

So sieht sie aus die im Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Pressefreiheit. Es gibt in der Bundesrepublik eben keine Zensur, wie sie in autoritären Regimen an der Tagesordnung ist. Russland, Iran, China, Türkei - die Liste könnte lang fortgesetzt werden. Journalistinnen und Journalisten haben in solchen Staaten einen schweren Stand.

Dass Deutschland keine Insel der Glückseligen ist, muss betont werden. Immer weiter rutscht unser Land in den weltweiten Rankings nach hinten. Das liegt auch an der Bedrohungslage für Berichterstatter. Insbesondere beim Begleiten von Demonstrationen leben Journalisten gefährlich. Übergriffe und Beleidigungen sind vor allem im Osten keine Seltenheit.

Pressefreiheit oder Selbstzensur?

Die Folge kann eine Art Selbstzensur sein: Warum, diese Frage stellen sich mancherorts Redakteure, soll ich mich erneut beschimpfen lassen? Vielleicht ist es besser, bei der nächsten Kundgebung nicht dabei zu sein. Das ist eine gefährliche Entwicklung, zudem eine, die bislang von den Behörden in ihrer Tragweite nicht erkannt wird. So wie die Meinungsfreiheit der Demonstrierenden zu schützen ist, benötigen auch die Berichterstatter einen Schutzschirm, um ihre Arbeit ungehindert verrichten zu können.

Denn eines sollte vor allem den Politkern der Mitte endlich klar werden: Nur eine Presse, die ihre Kontrollfunktion erfüllen kann, stabilisiert die Demokratie. Wenn etwa als Folge einer immer schwieriger werdenden Ertragslage bei den Medienhäusern immer mehr zeitungsfreie Regionen entstehen, dann kann von Kontrolle keine Rede mehr sein.

Das Ergebnis ist ebenso banal wie gefährlich: Populisten und Extremisten haben leichtes Spiel, ihre Ergebnisse bei Wahlen sind tendenziell besser als in Gebieten mit einer Lokalredaktion. Pressefreiheit ist also kein Selbstzweck. Vielmehr dient sie der politischen Hygienearbeit.

Es ist deshalb an der Zeit, sich mehr um unabhängige Medien zu kümmern. Denn diese durchlaufen einen beschwerlichen Transformationsprozess, in dessen Verlauf keine Almosen seitens der Politik gefragt sind, sondern zunächst Verständnis für die komplexe Herausforderungen im digitalen Geschäftsfeld. Guter Journalismus ist nicht gratis zu haben. Gleiches gilt für die Pressefreiheit.

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